Ingo C. Peters
DIREKTOR HOTEL VIER JAHRESZEITEN
Text: David Pohle | Fotos: Jan Northoff
Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 50
Es war November, die Binnenalster lag im grauen Nebelschleier, die Fontäne war schon versiegt, die Weihnachtstanne noch nicht aufgestellt. Gerade war der Lockdown light beschlossen, im Vier Jahreszeiten kommen die wenigen Gäste immerhin in den Genuss schöner Zimmer. Keine Steaks im Grill, keine Teatime in der Wohnhalle, „Haerlins“ Sterne leuchten nicht, der letzte Cosmopolitan in der legendären „Simbari-Bar“ bleibt unausgeschenkt. Nicht die richtige Zeit für Konfetti. Im Gegenteil, Trübsal blasen hat Hochkonjunktur. Aber nicht mit Ingo C. Peters. „Wir sind immer vorbereitet. Auf alles.“ Er war hier Page, kann Messing polieren wie kein Zweiter, die gläserne Drehtür am Eingang schlierenfrei spiegelnd putzen und Schuhe auf leuchtenden Hochglanz bringen. Grundausbildung („Ich habe jede Sekunde davon geliebt“) im Flaggschiff der europäischen Grandhotellerie, die den Hamburger Jung aus Rahlstedt vor bald 25 Jahren zum Hoteldirektor gemacht hat, der nicht hamburgischer sein könnte, wenn er es versuchen würde. Jetzt ist Krise. Und mit Peters hat das Jahreszeiten, das seit 1897 ein ganz besonders schönes Stück Hamburg ist, einen flaggschiffwürdigen Kapitän auf der Brücke. Peters geht auf in der Situation. „Nach vielen guten Jahren habe ich eine Krise erwartet, nicht Corona natürlich, aber nach guten Jahren kommt immer eine Talfahrt. Irgendwann. Und dafür hatte ich Pläne in der Schublade“, sagt er voller Tatendrang und fährt fort: „In guten Zeiten kann das jeder, aber jetzt kann, jetzt will ich beweisen, dass ich der Kapitän bin, der das Schiff steuert und seefest für die Stürme der Zukunft macht.“
Die Erfahrung dafür hat er nach der Ausbildung in Luxushotels der Welt gemacht, acht Jahre USA, dann Thailand, General Manager im Oriental auf Phuket. Da ist er gerade mal 30 Jahre alt. Bevor er in die Welt ging, gab ihm der damalige Oberkellner auf den Weg: „Mein Junge, wenn du jetzt gehst, wirst du sehen, es wird nie wieder so schön wie im Jahreszeiten. Aber das kannst du junger Kerl ja noch gar nicht beurteilen. Lass dich also nicht unterkriegen, sperre Ohren und Augen auf. Und wenn was schlecht ist, dann lerne, was du später hier nie falsch machen willst.“ Während in anderen Hotels sogar Direktoren in Kurzarbeit und ins Homeoffice geschickt wurden („die verlernen doch zu arbeiten“), ist Peters – er wohnt mit Frau und kleinem Sohn übrigens im Hotel – heiß. Die Krise als Chance, Ärmel hoch mit echter Hands-on-Mentalität. Allen Mitarbeitern wird das Kurzarbeitergeld auf 100 Prozent aufgestockt, Sicherheit gegeben, Employer Branding nennt er das und meint doch den besonderen Geist, der diesem Hause innewohnt. Keiner bleibt allein. Jeder ist wichtig. Er steckt sie alle an mit seiner Energie, seinem Kampfgeist. Ballt die Fäuste, Augen blitzen. „Andere machten noch zu, wir planten schon die Neueröffnung.“ Das war im Frühling 2020, alle waren im Tal, während Peters bereits das Ende vom Tunnel fokussierte.
„Sparen kann jeder, an den Blumen, an den Bademänteln, an der Schokolade auf dem Kopfkissen. Das ist der falsche Weg. Du musst das Geld zum Fenster rauswerfen, dann kommt es durch die Tür wieder herein. Denn alles, was du in der Krise investierst, kommt zehnfach, 100fach wieder zurück.“ Und mit Eigentümer Kurt Dohle, der das Haus vor bald acht Jahren erwarb und Peters’ Entscheidungen seither vertraut, hat er die Mittel und den Rückhalt, deren es bedarf, um mit Leistung zu überzeugen. Als wieder geöffnet werden kann, steht Peters schon längst auf dem Gaspedal, durchgetreten bis aufs Bodenblech. Und kommt mit Vollgas aus der Krise, öffnet alle Restaurants, verdoppelt das Budget für Blumenschmuck. Mitarbeiter rufen Stammgäste persönlich an: „Möchten Sie einen Tisch am Fenster, Herr Direktor?“ Der Ton trifft natürlich den Nerv. „Und sofort sind wir wieder richtig gut im Gespräch“, freut sich Peters wie ein kleiner Junge. Die Gäste kommen, machen Rechnungen wie nie, feiern das wiedergewonnene, öffentliche Leben ganz bewusst. „Mit Hummer, Kaviar, natürlich Steak Tatar, Champagner und schönen Weinen haben wir mehr Umsatz gemacht als im guten Jahr davor“, staunt er selbst ein wenig. Aber die Maxime, die schon der alte Hotelgründer Haerlin ausgegeben hat, macht hier den Unterschied. Und zwar auf allen Etagen. „Gebt euch so, als seid ihr Gastgeber für eure besten Freunde, macht die Wohnung und euch hübsch, stellt Blumen auf und unterlasst einstudierte Phrasen“, hatte der seinen Leuten einst mitgegeben. Peters ergänzt: „Den Gast immer mit Namen und Tageszeit ansprechen, den Rest überlasse ich meinem Team, das muss von Herzen und aus Überzeugung kommen. Dann sind wir immer vorne.“
2014 wurde Peters Hotelier des Jahres, letztes Jahr das Vier Jahreszeiten zum besten Luxus-Stadthotel Europas gewählt. Wie schafft er das? „Ich mache immer nur drei Sachen gleichzeitig (er meint wohl eher
Projekte und räumt ein, dass es wohl schon ein paar mehr sind), aber die zu Ende. Ein Ur-Hamburger Stammgast hat mal gesagt, der Mensch wird nicht an der Anzahl der Ideen gemessen, sondern an denen, die er in die Tat umgesetzt hat“, grinst Peters, „daran halte ich mich.“ Und fügt hinzu: „Ich stehe immer in Raummitte, nie an der Wand, erst recht nicht in der Ecke, ich bewege mich frei, keine krummen Deals, keiner kann mir was.“ Hamburgisch gerade eben. 60 wird er dieses Jahr, maximal und nur, wenn man ihn dann noch will, könnte er sich vorstellen, bis fast 70 zu bleiben. „Und dann reisen wir auf blauen Dunst wie einst mit meiner Mutter, als der Weg das Ziel war, segeln oder gehen Ski fahren.“ Typisch für die 70-Jährigen unserer Zeit. Eleganten Schwung bringt er jedenfalls schon mit.