Betty Kupsa
THE CHUG CLUB
Text: Regine Marxen
Fotos: Norris Nather für tendaysaweek
Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 45
Im Herzen St. Paulis, in der Taubenstraße unweit des Spielbudenplatzes, liegt sie, die Oase für Anhänger der gehobenen Barkultur. Der „The Chug Club“ mag von außen hinter den mit schwarzer Folie abgeblendeten Fensterfronten unprätentiös wirken, aber wer ihn betritt, dem offenbart sich eine Welt, die gnädig die Spuren der Nacht verwischt. Der in gedämpftes Rotlicht getauchte Raum ist geschmackvoll eingerichtet mit hölzernem Barmobiliar und bunt-rockigen Details.
Mit kleinen, bunten Calavera-Skeletten zum Beispiel, die man aus
Mexiko kennt und die sich überall im Raum wiederfinden. Agaven-
Ornamente zieren die Wände und Fenster – und schlängeln sich in Form eines Tattoos sogar über den Unterarm der „The Chug“-Chefin Betty Kupsa. Die heißt eigentlich Bettina, aber den Namen hört sie nicht gern. „So nennt mich höchstens meine Mutter“, sagt sie lächelnd. Also Betty. Passt auch besser zu ihr, denn die 41-Jährige ist in ihrem dunklen Kleid und mit dem exakten Bob-Haarschnitt samt markantem Pony, ihren tätowierten Armen, den dunkelroten Lippen und den darauf abgestimmten, lackierten Nägeln eine echte Erscheinung.
Stylish, edgy, rockig und – dank ihres Lächelns – herzlich. Ein bisschen wie St. Pauli, ein bisschen wie ihre Bar. Kein Wunder, denn „im ,Chug Club‘ steckt ganz viel Betty. Hier habe ich sozusagen mein Innerstes nach außen gekehrt“, sagt sie. „Ich habe diese Bar ohne Geldgeber allein ins Leben gerufen. Das hier ist mein zweites Zuhause.“ Vor vier Jahren war das. Betty, nach eigener Aussage Quer- und Späteinsteigerin im Barbetrieb, hatte zuvor drei Jahre im „Le Lion“ unter Jörg Meyer ihre Kunst am Glas und hinterm Tresen verfeinert. „Ein toller Chef“, lobt sie den weit über Hamburgs Grenzen bekannten Erfinder des Gin Basil Smash. Es war die erste Festanstellung in ihrem Leben, zuvor war sie unter anderem als freie Eventmanagerin und Businesscoach tätig. Die Zeit im „Le Lion“ sei großartig gewesen, aber „ich liebe es einfach, das letzte Wort zu haben.“ Kurz: Diese Frau ist zur Chefin geboren, weil sie gern ihr eigenes Ding macht. Und das steht ganz im Zeichen des Tequilas.
Die Liebe zu diesem Getränk begleitet sie bereits länger und hat sie auch schon oft nach Mexiko geführt. „Ein vielschichtiges Land wie das Getränk“, schwärmt sie. Diesen Vibe will sie in ihrer Bar fühl- und erlebbar machen. Visuell und gustatorisch. Das ist eine Mission, denn gerade die Agavenspirituose hat in Deutschland nicht den besten Ruf. Hier geht es nicht um den Genuss, sondern um die Wirkung. Und die kann fatal sein. „Du kannst draußen zehn Leute nach ihren Erfahrungen mit Tequila fragen, neun von ihnen haben schlechte. Das hat er nicht verdient“, sagt Betty. Der „The Chug Club“ will also das Renommee des wohl bekanntesten Vertreters der Mezcals aufpolieren. Er tut das mit Kreationen wie Buttered Popcorn Tequila, Salzkaramell, Limette und Popcornlolli oder Kaffeetequila. Die veredelten Tequilas stellt Betty allesamt selbst her. Rund 20 Gallonen reihen sich auf dem Regal über dem Tresen und den Köpfen der Gäste aneinander, angereichert mit Agaven-Brands mit den unterschiedlichsten Aromen. Von dort werden diese abgefüllt und landen unten am Tresen an der Arbeitsstation – wo der Gast ob der Vielfältigkeit die Qual der Wahl live erfährt. Wie gut, dass ihm diese Last abgenommen wird. Denn eine Spezialität des Hauses ist das „The Chug“-Menü, das aus fünf Tequila-Drinks und einem Zwischenbier, dem Zwibi, besteht. Letzteres hat die nicht unrühmliche Aufgabe, den Gaumen des Gastes zu erfrischen. Gereicht werden die Drinks in besonderen, kleinen Cocktailgläsern irgendwo zwischen Shortdrink und Shot, den sogenannten Chugs. To chug heißt im Deutschen „kippen“, was nicht heißen soll, dass man Bettys Kreationen einfach herunterkippen soll. Vielmehr möchte sie ihre Gäste zum Probieren animieren und ihre Neugier entfachen.
„Ein großer Cocktail hat seinen Preis, viele scheuen ihn, wenn sie nicht wissen, was sie erwartet. Deshalb schenken wir hier Chugs aus.“ Dieses Konzept kommt an und ist sogar mehrfach preisgekrönt: 2017 ergatterte sie unter anderem bei den Mixology Bar Awards die Auszeichnungen „Bar des Jahres“ und „Gastgeberin des Jahres“.
Es ist wohl die Mischung, die diesen Ort so besonders macht – und natürlich die Hausherrin, die als Barkeeperin auf Dogmen pfeift und bei aller Profession nur eines im Auge hat: ihren Gast. Der soll sich hier wohlfühlen, Spaß haben und vor allem: nicht belehrt werden. „Wenn dieser seinen Gimlet mit Eis trinken möchte, obwohl man das nicht macht, dann kriegt er ihn mit Eis. Das hier ist ein ungezwungener Ort, der allen eine gute Zeit mit richtig guten Drinks bescheren soll.“ Zu diesen zählen übrigens nicht nur Tequila-Kostbarkeiten, sondern auch die Buttermilch Margarita, Bettys Signature Drink. „Leicht und anpassungsfähig, den könntest du sogar zum Frühstück trinken.“ Ein eigener Hausschnaps ist gerade in der Mache, und auch sonst hat Betty noch einige Pläne. Den separierten Raum gleich neben ihrer Bar wandelt sie in eine mexikanische Beach Bar ohne Sand um, ein Art Bar-in-Bar-Prinzip. Und dann ist da noch das Buch, an dem sie seit eineinhalb Jahren arbeitet. Es geht um Mexiko, es geht um Tequila. Am Anfang war der Schnaps. Dann die Bar. Was jetzt kommt? Wir sind gespannt.