Café Leonar
SPOTLIGHT GÄNGEVIRTEL
Text: Simone Rickert Fotos: Giovanni Mafrici
Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 63
Der Duft von krosser Pizza und Broten aus einem imposant großen Ofen, den Aliyas aus Neapel kommen ließ, mischt sich neuestens auch in das levantinische Bouquet, das die Gäste so lieben. Man fühlt sich hier immer ein bisschen wie auf Reisen, nur ist es der eigenen Fantasie und tagesaktuellen Sehnsucht überlassen, wo man sich gerade hinträumt: Begrüßt wird man mit „Bonjour“, auf der Frühstückskarte steht das Croissant neben Bagel, Shakshuka und Waffeln. Norddeutsche Stulle mit Rührei gibt es auch. In diesem Sinne geht es mit der Tages- und Abendkarte weiter bis zur besagten Pizza, auf der auch eine Dattel neben Mozzarella Fior di latte ihre kulinarische und kulturelle Botschaft überbringen darf.
Die Harmonie der Kulturen, in denen die jüdische Lebensweise und Küche präsent ist, macht den Charme des Cafés und Restaurants aus. Jeden Tag hält Aliyas mit seinem Team ab 9 Uhr bis 23 Uhr (sonntags bis 17 Uhr) die Türen und bei gutem Wetter die große Terrasse offen: für einen schnellen Cappuccino oder Cocktail oder ein ausgedehntes Menü. Mezze, Borschtsch, Babaghanoush, alles in der eigenen Küche täglich frisch hergestellt, Ehrensache. Die Bar im hinteren Raum ist reich bestückt, die Weinkarte wird immer länger, frühabends lockt ein Negroni, Sprizz oder auch Vermouth. Den Raum gestaltet hat Andreas Heller, renommierter Architekt, der 2014 auch schon den Neubau des Gebäudes entwarf. Die mediterrane Landschaftsmalerei neben dem Pizzaofen ist übrigens vom Impressionisten Jakob Nussbaum, natürlich nur eine Kopie des wertvollen Originals, das im Jüdischen Museum in Frankfurt hängt.
1989 kam Aliyas aus dem Iran nach Hamburg, wurde in einem „typisch deutschen“ Hotel zum Koch ausgebildet und hat dann einige Jahre in der Sterneküche und in verschiedenen Bars gearbeitet, bevor er 2010 im „Café Leonar“ ankam. Das führte da noch Arnold Simmenauer, dessen Großvater Grindel-Bewohner war und bis zu seiner Flucht vor den Nationalsozialisten die im Jahre 1938 „arisierten“ Leonar-Werke in Wandsbek führte, spezialisiert auf die Herstellung von Fotopapieren. So bleibt der Name eines Bewohners in aller Munde im Viertel, das Andenken wird alltäglich gewürdigt, nicht leichtfertig und doch im positiven Sinne selbstverständlich – so, wie es sich viele Menschen wünschen.