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Populär –

Stefan Gwildis

 

 

AUTORIN: SVENJA HIRSCH 

FOTOS: TRISTAN LANDWEIN, BRINKHOFF/MOEGENBURG

Stefan Gwildis kommt von der Straße. Sagt er und spielt seine Musik am liebsten in kleinem Kreis. Rauchige Stimme, deutsche Texte. Danach ist Pollerhocken angesagt. Heute ähnlich: ein überschaubarer Treffpunkt,
Bistro Brücke 10 am Hafen, mit jeder Menge Poller in Sichtweite. Gwildis
mit typisch dunkelblauem Stutzer an hellem Holztisch, Blick gen Wasser.


Warum wollten Sie sich an der Brücke 10 treffen?
Ich bin eben Hamburger. Das hat auch viel mit dem Hafen zu tun: Ich habe hier gearbeitet, meine Groß­eltern ham hier gearbeitet. Meine Oma hatte ’ne Kneipe hinterm Hafen, in der Rambachstraße. Da hat sie den Hamburger Schauerleuten morgens die kleinen Flachmänner aufgefüllt. Standardbestellung zum Frühstück: „Eine Büchse Bier und ’n kaltes Kotelett!“
Was ist typisch Norddeutsch?
Der Schmodder. Dieses Leben, es ist viel improvisiert. Viele Leute aus meinem Umfeld haben aus den unmöglichsten Situationen etwas gemacht. Zwischendurch habe ich in San Francisco gelebt. Nach ein paar Jahren merkte ich, dass ich da nicht hingehöre. Heimat hat viel mit Sprache zu tun. Ich kann mich auf Englisch ausdrücken, aber mir hat der Schmodder gefehlt.
Ihnen ist Hamburger Mundart also am liebsten?
Ich habe mich für einen toleranten Menschen gehalten, bis ich mal zwei Wochen in Stuttgart gearbeitet hab. (lacht) Das ging mir so auf den Zeiger. Ich war froh, als ich auf dem Rückweg aus dem Flugzeug stieg und
jemand rief: „Hey Pedda, wirf doch mal die Tasche rüber!“ Auch das lernt man in der Fremde: Intoleranz.
Drei Gründe für Ihr Leben in Hamburg?
Die Leute und Traditionen wie das Pollerhocken, eine alte hanseatische Meditationstechnik. Dreiteilig: Pollerhocken, Schiffe gucken, Schnauze halten. Das erfrischt, ist kreislaufanregend und verdauungsfördernd!
Und was die Verdauung fördert, macht glücklich …
Genau das. Hat mein Vadda immer mit mir gemacht, dann sind wir hierher, haben Fischbrötchen gemuffelt und mal ordentlich die Schnauze gehalten.
Taten Sie vor der Stuntausbildung zum Glück nicht!
Ja, ich war damals um die 20, lange Haare, Bart. Bin am Bühneneingang vom Thalia Theater vorbei. Da dachte ich mir: „Das ist ’ne krasse Sache, da gehen wir rein.“ Hab mich beim Pförtner vorgestellt und gefragt, was man tun muss, wenn man mitmachen will. Der guckte mich nur an und sagte: „Joa, komm mal nächsten Dienstag, da ist Casting für ,Die drei Musketiere‘.“ Das passte wie der Arsch aufn Pott! Die ham mich genommen, und ich hab dort die Ausbildung gemacht.
Und wie sind Sie auf die Musik gekommen?
Entstanden ist das auf den Nordseeinseln: Ich bin über die Dünen gegangen, dort, wo man diese direkte Berührung mit der Natur, diese Wucht des Windes so richtig mitkriegt. Das war der Moment, in dem in mir Musik entstand. Kurz darauf habe ich eine Gitarre geschenkt bekommen, es folgte das klassische Programm mit Akkorde lernen und so weiter …
Aber Conférencier am Hansa-Theater sind Sie noch?
Einmal im Jahr muss ich. (lacht) Es gibt ein Phänomen bei den Nachmittags-vorstellungen: Wenn man ruhig ist, nur für ein paar Sekunden, dann hört man wie etwa 700 Leute mit der Kuchengabel durch den Mürbeteig ihrer Torte stoßen. Das hört sich an wie in einem Zwergenbergwerk. Das ist total geil! Das gibt es nur nachmittags. Abends ist der Theaterteller dran, als Fischteller und Häppchen mit Cervelatwurst, Käse, Lachs, Forellenfilet, dazu eine Salzbrezel mit etwas Petersilie und einer gekreuzten Salzlette. Das sind Kleinigkeiten, die ich an diesem Theater liebe. Ich war schon als kleiner Buttsche dort und hab den Theaterteller gekriegt. Auch jetzt ist es spannend, in diese Artistenwelt reinzuriechen. Die Leute haben ihre Nummer, die sie fast ihr ganzes Leben immer wieder spielen. Für diese paar Minuten muss alles auf den Punkt sein.
Haben Sie eine Location, wo Sie gern auftreten?
Ich komme ja von der Straße, insofern ist es das, was ich am besten finde: kleiner Kreis, in dem man viel von den Menschen mitkriegt, Erinnerungen möglich sind. Ich beneide Menschen, die große Hallen füllen, überhaupt nicht. Wenn überhaupt, dann wegen der Kniste.
Heute sind oft gecastete Künstler in den Charts …
Das hat leider mit der Entdemokratisierung der Radiolandschaft zu tun. Es gibt zu wenige verantwortungsvolle Redakteure, die senden, worauf sie Bock haben.
Bei den Sendern gibt es Normen, da heißt es „Musik muss durchhörbar sein“, sie darf nicht stören beim Staubsaugen oder beim Masturbieren … (guckt zu seiner jungen Pressedame Lydia) Habe ich „masturbieren“ gesagt?
Ja! Aber wir können schnell die nächste Frage anschließen:
Was halten Sie von Helene Fischer?

Eine großartige Kollegin. Ich würde gern mal ein Duett mit ihr singen. Ich arbeite gerade an einem.
Haben Sie ihr das Duett angeboten?
(lacht) Ich habe mich bis jetzt noch nicht getraut.
Haben Sie selbst Vorbilder? Musikalisch gesehen?
Oh ja! Mein Vadda war Reifenhändler und hat jedes Jahr von einer Firma als Goodie Schallplatten bekommen, von so Künstlern wie Sammy Davis. Meine Mutter hat so was wie Knut Kiesewetter und Hildegard Knef gehört, von der ich auch ein riesiger Fan bin.
Sie singen oft mit anderen Künstlern wie Bill Ramsey und Dietmar Bär, selten sieht man Sie allein …
Das finde ich einfach nicht interessant. Generell ist Musizieren ein Dialog, auch das Komponieren, das Ausstaffieren. Das ist immer mit anderen Menschen verbunden. Auch wenn ich runterschaue von der Bühne auf die Menschen, die zuhören. Das ist für mich wichtig. Diese Mischung macht mir großen Spaß.
Einige Musikerfreundschaften halten schon 20 Jahre.
Wenn man harmoniert, kann man gut musizieren, umso mehr freut der Erfolg: In den 90ern haben wir eine sehr erfolglose CD hingelegt, Jazz mit deutschen Texten, da hatte kein Schwein Bock drauf. 2014 haben wir die Goldene Schallplatte für ein Jazzalbum bekommen, das wir mit der NDR Bigband aufgenommen haben. Es gab eine Preisverleihung, bei der alle alten Recken hier im Hafen gefeiert haben.
Was sollte ein Gast in Hamburg sehen?
Um einen schönen Eindruck von der Stadt zu kriegen, ist so eine Kanufahrt auf der Alster gut, am besten bei Vollmond. Wenn der so richtig breit auf die Alster scheint, ist alles silber, und das ist einfach großartig!
Einen Tipp für echte Hamburger?
Oh, mehr als einen! Interessant ist die Alsterperle. Und das Fleetschlösschen. Ein kleiner, netter Laden. Das Gebäude war eine Kirche. Da kamen die Leute auf ihren Booten angeknattert und ham sich trauen lassen. Und als kleiner Buttsche bin ich immer ins Alsterhaus gegangen, weil meine Tante Hedi dort in der Käseabteilung gearbeitet hat. Da fuhr man früher mit der Holzrolltreppe hoch und wenn ich kam, hat sie mir eine Kümmelstange mit Tilsiter gegeben. Die Lebensmittelabteilung gibt es nicht mehr, dort ist jetzt ein Kaviarstand. Und eine Käseabteilung! Ich bin hin und habe der Frau am Stand von meiner Tante erzählt. Da sagte sie: „Na, dann mach mal die Hand auf, kriegste auch ’ne Stulle mit Tilsiter!“ Seitdem gehe ich da immer hin.

Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 30

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